Workshops um 13:30 Uhr, Samstag 31. März 2018


Alles für die Tiere? Über den Unterschied zwischen Tierschutz, Tierrechten und Tierbefreiung und den Irrtum, Tiere durch Rechte zu befreien

Auch wenn sie von der veröffentlichten Meinung gemeinhin in einen Topf geworfen werden, unterscheiden sich die Tierschutz-, Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegungen von einander anhand ihrer Theorien, Standpunkte, politischen Strategien und Ziele hinsichtlich der Ausbeutung im Kapitalismus. Wie die Begriffe es bereits andeuten, setzen sie sich für den Schutz, die Rechte oder die Befreiung der Tiere ein.

In der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung war man sich lange einig, dass der karitative Tierschutz ein nützliches Instrument zur Perfektionierung der Tierausbeutung ist und kaum den Tieren selber dient. Zudem kritisierten TierbefreiungsaktivistInnen den Ansatz der Tierrechte als unzureichend, welcher den Status von Tieren ungeachtet der gesellschaftlichen Verhältnisse mittels bürgerlicher Gesetzgebung verbessern will.

In letzter Zeit scheint jedoch das Bedürfnis zur Unterscheidung zwischen den drei Linien zu schwinden. Jeglicher Aktivismus »für die Tiere« wird unkritisch begrüßt, Tierschutz als Ziel des Kampfes wieder salonfähig. Widersprüche zwischen einst schwer erkämpften politischen Positionen schiebt man zugunsten »der Bewegung« getrost zur Seite und kanzelt sie als Nebensächlichkeiten ab. Gleichzeitig wird die ALF aus der Bewegung heraus als »gewalttätig« dämonisiert.

Im ersten Teil des Vortrages wollen wir uns deshalb einführend mit den drei Strömungen für Tierschutz, Tierrechte und Tierbefreiung auseinandersetzen.  Anschließend werden wir uns am Beispiel des Great Ape Projects und der Thesen der kanadischen Autoren Will Kymlicka und Sue Donaldson (»Zoopolis«) genauer mit den Irrtümern befassen, Tiere könnten mit Grund- oder anderen bürgerlichen Rechten innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise ausgestattet und damit vor ihrer Ausbeutung bewahrt werden.


Vergessenes Leiden. Anästhesierung und Instrumentalisierung des Mitgefühls in der hochentwickelten kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Kulturindustrie

Das Grauen der Massentierhaltung und anderen an Tieren verbrochenen modernen Barbareien ist medial zugänglich und damit sinnlich erfahrbar wie nie zuvor. Dennoch regt sich in der Bevölkerung kaum Mitgefühl, und das wenige vernehmbare findet nur selten Übersetzung in politischen Protest. Es zeichnet sich eher noch eine wachsende Immunisierung gegen das Leiden ab. Das liegt nicht nur daran, dass im Zeitalter des neoliberal radikalisierten Kapitalismus das durch − bis in die kleinste und hinterste Nische der Gesellschaft durchwirkende − Warentausch-Abstraktion gebildete verdinglichte Bewusstsein totalitäre Züge annimmt. Die Gründe dafür, dass so recht kein gegen die unerträglichen Verhältnisse mobilisierendes Mitleid aufkommen will, sind auch in der kulturindustriellen Vermittlung des Elends der Tiere sowie der Möglichkeiten seiner Beseitigung zu suchen. Durch Reklame werden antagonistische Lebensbereiche in Einklang gebracht – auch im Vegan-Kommerz. Hinter der Werbung mit vor Glück strotzendem süßen Kätzchen und Häschen für fleischlose Hähnchenschenkel und laktosefreie Sahnetorte verschwinden die Befreiungsobjekte und deren himmelschreiende Not. Selbst dann, wenn das Leiden gezeigt wird, setzt stets ein Prozess des Vergessens ein, der bewirkt, dass es nicht als solches gesehen wird. Ebenso vollzieht sich eine Instrumentalisierung des Mitgefühls für nur scheinbar tierfreundlichen Konsum und Kanalisierung in die Bahnen von rührseligem Kitsch und Amüsement, die nicht einmal mehr die Flucht vor der Realität, sondern nur noch vor dem letzten Gedanken an Widerstand zulassen.